Im April 2022 konnten wir unter dem Titel
"Post-SSRI Sexual Dysfunction: Definition, Symptome, Praxisimplikationen"
im Fortbildungstelegramm Pharmazie einen deutschsprachigen Artikel zu PSSD veröffentlichen. Der Artikel richtet sich an medizinisches Fachpersonal und fasst die wichtigsten Informationen zu PSSD zusammen. Er kann hier nach kurzer Registrierung heruntergeladen werden.
PSSD ist ein arzneimittelinduziertes Syndrom, also ein komplexes Krankheitsbild, das durch Psychopharmaka ausgelöst werden kann und auch nach dem Absetzten des Medikaments fortbesteht.
Der erste Fallbericht ging 1991, also vor 30 Jahren, bei der britischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency/MHRA) ein (D. Healy, 2020).
PSSD bedeutet Post SSRI Sexual Dysfunction (auf Deutsch also etwa: Sexuelle Fehlfunktion nach SSRI). Der Begriff ist jedoch irreführend,
Bei PSSD handelt es sich also um ein Syndrom (also eine Kombination verschiedener Symptome), das neben dem sexuellen Bereich auch
betreffen kann. Zum Beispiel treten neben sexuellen Funktionsstörungen häufig emotionale Abstumpfungsgefühle auf, die äußerst belastend sind.
Merke: PSSD ist weit mehr als eine SSRI-induzierte Erektionsstörung. Die Symptome sind oft so gravierend, dass sie die Lebensqualität massiv beeinträchtigen. In der PSSD-Community kommt es daher regelmäßig zu Suizidfällen.
Betroffene erleben es oft so,
als ob plötzlich ein Schalter umgelegt worden ist, der sie zu einem anderen Menschen gemacht hat. Sie fühlen sich plötzlich wie kastriert und/oder betäubt. Die meisten Betroffenen betonen, solche Gefühle zuvor nie gehabt zu haben.
Dennoch wird das Problem oft auf psychosomatische Ursachen zurückgeführt, was die Situation für Betroffene erschwert. Verblüffend ähnliche Langzeitfolgen sind auch von anderen Medikamenten, z. B. von Finasterid, einem Medikament gegen Haarausfall, oder von Isotretinoin, einem Aknemedikament, bekannt.
Es sind sowohl Frauen als auch Männer unterschiedlichen Alters betroffen. In den wenigen deutschsprachigen Artikeln zu PSSD wird zum Teil behauptet, dass das Syndrom bei Frauen seltener bzw. gar nicht auftritt. Dies ist eine Fehlinformation. Derzeit ist es nicht möglich, Aussagen dazu zu treffen, ob Männer oder Frauen häufiger betroffen sind.
Erfahrungsgemäß haben Frauen eine größere Hemmschwelle, über eine sexuelle Dysfunktion zu sprechen, da das Thema in der therapeutischen Kommunikation quasi nicht vorgesehen ist.
Männer wenden sich häufig zunächst an einen Urologen oder suchen eine spezifische Sprechstunde zur erektilen Dysfunktion auf.
Hohe Dunkelziffer
Insgesamt ist nicht bekannt, wie viele Menschen von PSSD betroffen sind. Es ist allerdings von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da
Am häufigsten treten auf:
Auch auftreten können:
Betroffene berichten von unterschiedlichen Verlaufsformen. Bei einigen Betroffenen scheint es Parallelen zu dem bekannten SSRI-Absetzsyndrom zu geben. Genauere Hintergründe sind bisher allerdings nicht bekannt. Grob betrachtet lassen sich die folgenden Typen unterscheiden, wobei bisher nicht gesagt werden kann, welcher Typus am häufigsten auftritt:
Die folgenden Kriterien orientieren sich an einem Vorschlag von Healy et al. aus dem Jahr 2021. Bisher liegen keine offiziellen Kriterien, z. B. nach ICD oder DSM, vor.
Notwendige Kriterien:
Weitere Kriterien: